Persönliches Logbuch Kratok T’Ran II. Sternzeit 20012.
In den letzten drei Monaten hat sich unglaubliches getan.
Ausgehend von einigen neugierigen Ureinwohnern, welche überraschend die Gruppe meiner drei Bekannten besuchte, verbreitete sich die Kunde vom Fremden, der ungewöhnliche Behausungen errichtete, wie ein Lauffeuer. Wöchentlich und am ende fast täglich kamen kleine Gruppen oder einzelne Bewohner dieses Planeten zu mir und beobachteten mich. Anders als die schweigsamen drei auf der kleinen Insel, waren sie äußerst kommunikativ und ich lernte mindestens genausoviel von ihnen, wie sie von mir. Manche gingen mir sogar zeitweise zur Hand bei den Bauarbeiten.
So kam es auch, dass in kürzester Zeit tatsächlich eine recht ansehnliche Siedlung entstanden ist. Niemals hätte ich gedacht, dass dies so schnell möglich sein würde. Auch hatte ich unterschätzt, wie schnell die, bisher inaktiven, Kolonisationsgene aktiviert werden und entsprechende Hirnverknüpfungen ausbilden konnten. Es war erstaunlich zu sehen, wie schnell meine Mitsaurier lernten, mit einfachen Werkzeugen und selbst Bauzeichnungen umzugehen. Es kam mir fast vor, als wären sie sogar talentierter dabei, denn ich selbst.
Anfangs konnte ich jedoch noch keinen Ureinwohner dazu bringen, sich mit mir in den neu errichteten Gebäuden anzusiedeln. Dabei gab es bereits drei Wochen nach meinem Hausbau zwei weitere Hütten des selben Typs.
Nach den Hütten bauten wir eine Halle, in der wir Baumaterial und Werkzeuge herstellen, vorbereiten und lagern konnten. Hier verbrachte ich auch viel Zeit, um Gebäudeentwürfe aus der Datenbank zu regenerieren oder die beschädigten Elemente per Hand zu ergänzen. Denn unglücklicherweise waren vor allem etliche grundlegende Gebäudedesigns verloren gegangen, welche für die Herstellung einer fundamentalen Versorgung bei gleichzeitigem Zurückgreifen auf einfachste Konstruktionsmaterialien notwendig waren.
In den nächsten Wochen kamen ein Bauernhof und eine Baumplantage dazu. Hier würden in Zukunft verschiedene Feldfrüchte, Holz und Baumwolle aus den dafür geeigneten Pflanzen des Planeten aufgezogen und zur Ernte gebracht werden. Die Agrarkenntnisse der Ureinwohner werden dabei eine große Hilfe sein.
Die letzten Wochen waren mit intensivster Bautätigkeit ausgefüllt. Es ist unglaublich, wie viele Ureinwohner plötzlich jeden Tag bei der Siedlung auftauchten und sich geschäftig zuwerke machten, als ob sie nie etwas anderes getan hätten. Noch viel interessanter war die psychologische Analyse. Die Pioniertätigkeit als Siedler schien die Motivation und auch das Gefühl für Glück und Erfüllung bezüglich ihrer bisherigen Lebensweise regelrecht zu überschreiben. Sie gingen völlig in den neuen Tätigkeiten auf. Und das obwohl noch immer niemand auf Dauer in eines der Häuser eingezogen war. Selbst der Bauer wechselte alle vier oder fünf Tage. Dabei übernahm interessanterweise sein jeweiliger Nachfolger die Tätigkeiten unglaublich souverän, obwohl er seinem Vorgänger nie länger als zwei, drei Tage lernend und helfend zur Hand ging. Erstaunlich was die genetische Impfung einer zukünftig zu kolonisierenden Welt bewirken kann und wie präzise sich das Leben zur vordefinierten Form entwickelt und sich die angestrebten Eigenschaften in den Vertretern der eigenen Spezies integrieren und nun plötzlich aus dem langen Prozess der Evolution ans Tageslicht gebracht werden.
Aufgrund dieser Entwicklung konnten in den vergangenen Wochen eine Schreinerei, eine Textilmanufaktur, eine kleine Bekleidungsfabrik, über 12 kleine Wohnhäuser, ein Rathaus und ein Polizeigebäude errichtet werden. Letzteres dient momentan allein der Sicherheit vor wilden Tieren und der strukturellen Organisation der Bauarbeiten und Produktionsstätten. In der Verwaltung laufen alle Informationen über die Bedürfnisse der ersten Einwohner zusammen, über die vorhandenen Nahrungsmittel, Baumterialien und anderen Erzeugnisse, die mittlererweile hergestellt werden.
Mit Einrichtung dieses ausführenden Organs der ersten rudimentären Regierung, nimmt der Zuwachs an Siedler*innen stetig zu. Wöchentlich kommen mehrere neue Dorfbewohner hinzu, die sich nun auch permanent ansiedeln, da sie regelmäßig mit dem nötigsten versorgt werden. Inzwischen wollen die Ureinwohner – die nun eigentlich keine mehr sind, auch Kleidung tragen. Allerdings kann ich das bei dem Klima hier nachvollziehen. Zwar schneit es so gut wie nie, doch ist es eben hier an der Küste oft kalt, stürmisch und regenerisch. Es ist ein Paradies, aber zumeinst kein sommerliches.
Dennoch ist der erste Schritt und damit die Gründung der neuen Siedlung „Cardia“ nun offiziell erfolgt. Es soll demnächst dazu auch ein erstes Fest geben. Ich bin schon gespannt auf die feierlichen Gebräuche meiner Mitsaurier.